Das Horner Museum birgt viele ganz besondere Exponate, hinter denen sich einzigartige Geschichten verbergen, die sie interessant machen. Wir haben daher den ehemaligen Kustos Wolfgang Andraschek gebeten, uns einige dieser "Geheimnisse" zu verraten - was er gerne machte. Wöchentlich werden wir nun eines dieser Ausstellungsstücke vor den Vorhang holen.
Los geht es mit dem Hochrad "Grete", mit dem Ferdinand Berger (1866–1950) am 4. August 1886 von Horn aus zur Nordsee aufbrach und bis zum 29. September rund 2.500 km zurücklegte. "Grete" ist in der Ausstellungshalle des Museums zu sehen.

Reisebericht "Mit Gott"
Unter diesem Motto startete am 4. August 1886 Ferdinand Berger zur legendären Rad-Rundreise. Eine Reise, die er Tag für Tag genauestens dokumentierte; innerhalb von acht Wochen legte er mit seinem neuen Hochrad eine Strecke von über 2.500 km zurück. Er brach am frühen Nachmittag des 4. August in Richtung Böhmen auf. Vorläufiges Ziel seiner Reise war Berlin, das damalige Mekka aller Radfahrer. Hier fanden regelmäßig Treffen und Veranstaltungen der fahrradbegeisterten Jugend statt. Besonders interessant ist, dass der junge Druckergeselle (Berger war damals knapp 21 Jahre alt) an interessanten Orten verweilte, um deren Sehenswürdigkeiten zu besichtigen und dabei seine Eindrücke schilderte. Auch Konzerte und Theaterveranstaltungen standen in größeren Städten auf dem Programm. Über Budweis und den böhmischen Kurort Karlsbad ging die Fahrt zunächst nach Dresden. Immer wieder wurde der Radfahrer während seiner Reise von Freunden der Familie zum kurzen Verweilen eingeladen.
Bereits am 15. August traf Ferdinand Berger in Berlin ein, wo gerade ein mehrtägiges internationales Fahrradtreffen stattfand, über 2.000 Radrennfahrer wurden gezählt. Nach zahlreichen Besichtigungen und einer kurzen Pause ging es weiter Richtung Hamburg, wo er ein Dampfschiff bestieg und die Elbe hinab nach Cuxhaven fuhr. Dort genoss er einen wunderbaren Blick über die Nordsee, ein Anblick, der für einen "g'standenen Waldviertier" besonders faszinierend gewesen sein muss.
Die Reise ging weiter nach Bremen. Er näherte sich seinem eigentlichen Fahrziel, dem Rheinland. Doch kurz vor Paderborn kam es zu einem Zwischenfall, Berger stürzte mit seinem Rad. Er blieb zwar unverletzt, sein Hochrad (er nannte es liebevoll "Grete") musste allerdings in einer "Velocipeden-Fabrik" repariert werden.
Am 5. September erreichte er Düsseldorf am Rhein. In den nächsten Tagen fuhr er dem Ufer entlang stromaufwärts und besichtigte die wichtigsten Städte. Besonders dürfte ihn die alte Stadt Heidelberg und deren wunderschöne Umgebung beeindruckt haben.
In Bayern (er traf am 20.September in München ein) gefiel ihm die schöne hügelige Landschaft, vor allem aber die gut gepflasterten Straßen. Im Gegensatz zu Oberösterreich, in Ried bekam er den gut gemeinten Ratschlag, zwecks Abkürzung die Reichsstraße zu verlassen und auf eine Bezirksstraße auszuweichen. "Bergauf, bergab, über Schotter und über schreckliche Wasserspuren setzte meine ausgelassene 'Grete' mit mir drüber hinweg, so zwar, dass ich zwischen Himmel und Erde schwebte. ... Die miserable Straße hielt mich in der Fahrgeschwindigkeit bedeutend zurück, und ich musste, durch die Nacht überrascht, in einem Dorfe übernachten."
Die Straßenverhältnisse wurden wieder besser und so konnte er, vom Kamptal kommend, am frühen Vormittag des 29. September Horn erreichen.
Ferdinand Berger dazu: "Von niemandem erwartet, infolgedessen auch von niemandem begrüßt, mit zerrissenem Schuhwerk und stark hergenommener Gewandung, das Antlitz verbrannt, zog ich dankbaren, freudig pochenden Herzens mit dem Bewusstsein in die Stadt ein, dass ich meiner Kraft vertrauend ein Stück Welt besehen, das mich begeistert davon sprechen macht mit dankbarem Herzen zu meinem Vater, der als 25-jähriger Jüngling all das zu Fuß gemacht und begeistert davon gesprochen, mir diesen Sehnsuchtstraum zu verwirklichen half."

Die zurückgelegte Route
Dieses wunderbare Stück Horner Geschichte sollten Sie gesehen haben.
Das Museum hat für Sie vom 1. April bis 15. November 2025 von Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet.
Montag ist Ruhetag.
Josef Pfleger