· 

Thodor Storm: Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;

Schenk ein den Wein, den holden!

Wir wollen uns den grauen Tag

Vergolden, ja vergolden!

 

Und geht es draußen noch so toll,

Unchristlich oder christlich,

Ist doch die Welt, die schöne Welt,

So gänzlich unverwüstlich!

 

Und wimmert auch einmal das Herz –

Stoß an und lass es klingen!

Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz

Ist gar nicht umzubringen.

 

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;

Schenk ein den Wein, den holden!

Wir wollen uns den grauen Tag

Vergolden, ja vergolden!

 

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,

Doch warte nur ein Weilchen!

Der Frühling kommt, der Himmel lacht,

Es steht die Welt in Veilchen.

 

Die blauen Tage brechen an,

Und ehe sie verfließen,

Wir wollen sie, mein wackrer Freund,

Genießen, ja genießen!

 


Bild: Josef Pfleger
Bild: Josef Pfleger

Theodor Storm (1817 – 1888)

Hans Theodor Woldsen Storm (* 14. September 1817 in Husum, † 4. Juli 1888, begraben in Husum) war deutscher Schriftsteller. Mit seiner Lyrik und Prosa gehört er zu den bedeutendsten Vertretern des bürgerlichen Realismus. Er war gelernter Jurist und arbeitete unter anderem als Rechtsanwalt und Richter.

 

Bekannte Novellen:

"Immensee" (1849), "Pole Poppenspäler" (1874), "Der Schimmelreiter" (1888)

 

Bekannte Gedichte:

"Knecht Ruprecht" (Draußen vom Walde komm ich her ...)

"Herbst" (Schon ins Land der Pyramiden flohn die Störche übers Meer ...)

 

JKP