Mit dem Zuzug der ersten jüdischen Familien (ab 1857) in den Bezirk und die Stadt Horn bildete sich auch eine entsprechende Religionsgemeinschaft. 1870 entstand die „Ständige israelitische Betgenossenschaft in Horn“, 1874 wurde der Status als Kultusgemeinde genehmigt. Die Schaffung einer eigenen Synagoge und eines eigenen Friedhofs waren die nächsten Schritte - Gebet und Begräbnis unterliegen auch im jüdischen Glauben strengen Riten und Regeln.

Ihren „Andachtsort“ hatten sie ab 1871 im sogenannten Karglhof (Frauenhofener Straße Nr. 10), 1903 kauften sie das Haus am Stadtgraben Nr. 25 (Bild), das als Synagoge fungierte, auch Bethaus oder Tempel genannt. Das Bild oben zeigt das seinerzeitige Aussehen der Horner Synagoge.

Heute steht die ehemalige Synagoge als Wohnhaus zum Verkauf.

Nach Auffassung der jüdischen Religion galten Grabstätten als rituell unrein, wodurch sie in einer gewissen Distanz zu den Siedlungen angelegt wurden. Für den allerersten jüdischen Friedhof wurde daher ein Platz beim Preußenfriedhof, der in einem Waldstück zwischen den Straßen nach Doberndorf und Breiteneich liegt, angekauft.
Preußenfriedhof deswegen, weil dort sechs preußische Soldaten, die 1866 in Horn der Cholera erlagen, begraben sind (Bild rechts; die Grabstätte wird heute vom Stadtverband Horn des Kameradschaftsbundes gepflegt).
Der jüdische Grabstein daneben (li.) wurde für ein Kindergrab errichtet und zeugt noch heute vom ersten jüdischen Friedhof von Horn.

Bald merkte man, dass der jüdische Friedhof beim Preußenfriedhof zu weit von der Stadt entfernt war, wodurch man sich dann entschied, ein Feld südöstlich der Stadt im Bereich der ehemaligen Pfarrkirche Riedenburg zu erwerben, was auch 1873 geschah.

1873 wurde die kleine Leichenhalle oder das Tahara-Haus errichte, und 1913 folgte die große Leichenhalle (Versammlungssaal).

"War der Tod eingetreten, so musste der Leichnam rituell gewaschen werden - das nennt man Tahara - und das wurde im Tahara-Haus am jüdischen Friedhof gemacht. Wir sehen hier ein Loch, durch das das Wasser der Waschung ablaufen konnte, denn das musste traditionell nach außen abrinnen", so die Geschichte-Professorin Agnes Wagner.
Agnes Wagner wird auch am Sonntag, 5. Oktober 2025, die im Titel erwähnte Führung am jüdischen Friedhof halten.

Der erste Jude, der hier begraben wurde, war ein Rabbiner aus Wien - und das gleich in der Apsis der ehemaligen Riedenburg-Kirche, deren Mauerreste man am Bild noch erkennen kann.

Besonderheiten eines jüdischen Friedhofes: "Die Grablage der Beerdigten ist Richtung Osten ausgerichtet, jeder hat sein eigenes Grab, man muss die Geschlechtertrennung einhalten - außer man war verheiratet, dann konnte man sich auch einen gemeinsamen Grabstein setzen lassen (wie hier im Bild). Außerdem dürfen die Gräber weder eingeebnet oder neu belegt werden. Zudem sind Exhumierungen nicht vorgesehen", so Agnes Wagner bei der Führung, die sie speziell für die Horner Internet Zeitung gehalten hat und bei der auch diese Bilder entstanden.
Und noch ein spezielles Detail, auf das Agnes Wagner hinweist: "Der Grabstein und die Beschriftung stehen vor dem Grab - für Christen also auf der "falschen" Seite."

Agnes Wagner geht bei ihrer Führung auch auf einzelne Horner jüdischer Herkunft , die hier begraben liegen, ein. So etwa auch auf Jakob Kummermann, der 1869 in Stockern geboren wurde. Er war als Kaufmann in Horn tätig und hatte sein Geschäft in der Wiener Straße gegenüber dem Museum. Jakob Kummermann gehörte zur "High Society" Horns und war Vorsteher der Israelischen Kultusgemeinde. Er verstarb am 9. März 1938. Am 11. März wurde er unter großer Anteilnahme der Horner Bevölkerung auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Sogar Nazis waren anwesend. Es wurde berichtet, dass sich von der Wiener Straße ein eindrucksvoller Trauerzug zum Jüdischen Friedhof bewegte - dieser Trauerzug stand ganz im Gegensatz zu dem Aufmarsch, der wenige Tage später die NS-Diktatur einleitete.

Unter den Gräber befindet sich auch das von Theresia Winternitz, Mutter des berühmten Indologen und Sanskrit-Forschers Moritz Winternitz, auf das Agnes Wagner bei der Führung ebenfalls eingehen wird.
Stadtarchivar Erich Rabl schreibt in einer seiner Veröffentlichungen, dass Moritz Winternitz nur ein durchschnittlicher Schüler am Gymnasium Horn war, doch später ein bedeutender, international verankerter Gelehrter in Oxford und Prag. "Die Werte, die er verkörperte, waren Toleranz, Humanität, Völkerverständigung und Frauenemanzipation."

Das "schönste" Grab ist wohl das von Irene Scheuer. Sie war die Gattin von Dr. Leo Scheuer, der ab 1920 Gemeindearzt und Zahnarzt in Sigmundsherberg war. Außerdem war er Leiter der Mutterberatungsstelle und Schularzt.
Das alles und noch viel mehr Interessantes über die jüdische Bevölkerung - auch was es mit den Steinen auf den Grabsteinen (siehe Bilder der Grabsteine von Jakob Kummermann und Irene Scheuer) zu tun hat - erfahren Sie bei der sicher spannenden Führung am 5. Oktober.
Also Termin vormerken: Sonntag, 5. Oktober 2025, 14 Uhr.
Treffpunkt ist in der Riedenburgstraße nahe dem Kaserneneingang; Kostenbeitrag 4,– Euro für den Museumsverein in Horn.
Ein spezieller Hinweis in diesem Zusammenhang: Teilnehmende Männer werden ersucht, als Zeichen des Respekts eine Kopfbedeckung zu tragen.
Josef Pfleger